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75 Jahre Kriegsgräberstätte Edewecht


Den nachfolgenden Text haben unsere Schülerinnen Luisa Kröger, Emma Freese und Sophie Schröder erstellt er wurde von Luisa, Emma und Frau Konen-Witzel anlässlich der Gedenkfeier zum 75jährigen Bestehen der Edewechter Kriegsgräberstätte vorgetragen: 

 

Einer von Vielen

Ich

In ein paar Wochen bin ich nur noch einer von Vielen. Einer von unzähligen Toten, verscharrt in alten Schützengräben, markiert mit einem Birkenstock und einem Helm drauf. Aber warum bin ich einer von Vielen geworden? Als ich geboren wurde, dachte keiner, dass es noch einmal so einen Krieg geben könnte, wie den ersten Weltkrieg. Alle hatten sich getäuscht. Ich war vier Jahre alt, als Hitler an die Macht kam, und gerade einmal zehn als der Krieg ausbrach. 1943 hat Mutter mich bei der Hitlerjugend angemeldet, da auch alle ihre Freundinnen aus dem Mütterverein ihre Jungs schickten. Vater schrieb in seiner Feldpost aus dem Osten, dass er stolz auf mich sei und mich in vier Jahren mit an die Front nehmen wolle. Meine Jugend war geprägt von nationalsozialistischem Denken und von Luftalarmübungen. Meine Mutter war besorgt. Jeden Tag mehr war sie in großer Not. In den Läden gab es kaum noch Lebensmittel und sie hatte drei Kinder, meine Großmutter und sich selbst zu ernähren. Jeder Tag war ein Kampf ums Überleben. Als ich 1944 dann 15 wurde kam der Brief des Schicksals. Ab sofort mussten 15-Jährige die Ausbildung zum Soldaten machen, um an der Front zu kämpfen. Und das war erst der Anfang davon, wie ich einer von Vielen wurde. An dem Tag, als der Brief kam, war ich noch euphorisch und aufgeregt. Aber als Mutter am nächsten Tag mit der Information, dass mein Vetter gefallen war, heimkam, wurde mir erst richtig bewusst, dass der Krieg auch mein Ende sein könnte. Mutter, Oma und ich saßen den ganzen Tag am Küchentisch und überlegten, wie wir verhindern konnten, dass ich in den Kampf muss. Doch es fiel uns nichts Besseres als Flucht ein und dafür war es wahrscheinlich auch schon zu spät. Das Schicksal wird mich einholen. Eine Woche nach dem der Brief ankam holten uns schon ausgebildete Soldaten ab und brachten alle Männer zwischen 15-60 in eine Basisstation in Polen.  Dort blieben wir fast ein halbes Jahr. Berufssoldaten brachten uns wichtige Sachen bei, die vielleicht unser Leben retten könnten. Eines schönen Morgens wurden wir mit lautem Rufen und Schreien geweckt. Eine knappe Viertelstunde später wurden wir mit Fahrzeugen von Polen an die Grenze zur Sowjetunion gebracht. Dort kämpften wir jeden Tag. Aber es half alles nichts, die Sowjetunion drängte uns immer weiter in das Landesinnere. Bald darauf mussten wir von dort zurück in unsere Heimatorte, um diese zu beschützen. Wir waren dort schon besiegt. Was keiner wusste:  Der Krieg würde noch einige Wochen dauern. Vor ein paar Wochen wusste ich aber auch noch nicht, dass ich jetzt tot bin.

 

Mutter

1945. Seit 2 Wochen kam kein Brief von meinem Sohn und schätzungsweise ist er nun an der Front. Die anderen Frauen vom Mütterverein sagen, dass es Gerüchte gibt, dass die Kompanie unserer Söhne zurückkommt, um Edewecht zu verteidigen. Ein paar Wochen später wurde dieses Gerücht war. Am 15. April ging ich wie jeden Mittag zum Bahnhof, um zu schauen, ob einer aus unserer Familie zurückkehrt. Dieser Tag war ein glücklicher Tag, denn ich sah meinen Sohn aus dem Zug steigen. Er berichtete mir direkt, dass er Edewecht in E'damm verteidigen muss. Deshalb verabschiedeten wir uns nur kurz, es konnte ja keiner wissen, dass wir uns das letzte Mal sehen. Und er fuhr weiter. Um 4 Uhr am 18. April 1945, so berichtet es ein Bekannter, überrumpelten die Kanadier die Kompanien, die dort stationiert waren, dementsprechend auch die meines Sohnes. Sie nahmen alle gefangen, die sie erwischt haben. Meine Hoffnung bleibt bestehen, dass mein Sohn irgendwann nach Hause kommt. Es wurden 76 Tote und 33 Gefangene gemeldet. Einige der Toten konnte man nicht mehr Identifizieren  - also weiß ich nicht zu welcher Gruppe mein Sohn gehört. Trotzdem versprach ich mir selbstk weiterhin täglich zum Bahnhof zu gehen und die Hoffnung nicht zu verlieren, dass mein Sohn irgendwann nachhause kommt und nicht einer von Vielen wird. Ich wünsche mir, dass mein Sohn irgendwann nach Hause kommt und nicht auch einer von Vielen ist.

 

Schwester 88 Jahre alt

Vor 45 Jahren,1979, verstarb meine Mutter und somit die Hoffnung, dass mein Bruder zurückkommt.  Seit 1945 trauerte die Gemeinde um die Verstorbenen, Verschollenen und gefangene Familienmitglieder. Nach dem Krieg liefen die Frauen jeden Tag zum Bahnhof in der Hoffnung ihre Ehemänner, Söhne und Verwandte aus den Zügen steigen zu sehen. Jeden Tag sah ich die enttäuschten Gesichter der Mütter, Ehefrauen und Geschwister, als sie sahen, dass ihre Familienmitglieder nicht zurückkamen. Das Ganze wiederholte sich jeden Tag aufs Neue. Es wurden dennoch von Tag zu Tag immer weniger Frauen und Kinder, die am Bahnhof warteten, da entweder die Hoffnung nachließ oder sie Gewissheit hatten. Nur meine Mutter lief jeden Tag wieder und wieder zum Bahnhof, selbst als wir 1976 die Nachricht bekamen, dass drei unbekannte Soldaten aus seiner Kompanie tot aufgefunden wurden. Am 15. Juli 1976 wurden die drei unbekannten Soldaten hier auf dem Ehrenfriedhof begraben. Nun ist mein Vater und wahrscheinlich auch mein Bruder einer von 423 Toten im Raum Edewecht. Deswegen steh' ich hier mit 88 Jahren und bitte euch: Gedenkt den Toten und ihren Familien, haltet an dem Gedanken der Geschehnisse fest, damit so etwas nicht nochmal passiert.

Kooperationen


         

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